Vertrauensverlust
27.09.2008 von michey
0-Bock-Generation?
Ich habe vor einigen Wochen in der Straßenbahn zufällig ein Gespräch zwischen zwei jungen Frauen gehört, die hinter mir saßen. Ich schätzte ihr Alter so um die 20 Jahre. Beide unterhielten sich über ihre schlechten Arbeitsbedingungen und den ständigen Wechsel zwischen Arbeitslosigkeit und ihrer Arbeit im Niedriglohnsektor. Es wurde in dem Gespräch deutlich, dass diese beiden Frauen nur deshalb jeden Tag zur Arbeit gehen, weil sie müssen. Von Freude an der Arbeit war da keine Spur.
Danach wechselte das Gesprächsthema zu den Dingen, die sie gerne tun würden. Eine der beiden Frauen erzählte von einem Bekannten, der sich selbständig gemacht hatte. Diese Junge Frau erzählte weiterhin begeistert, dass sie demnächst bei ihrem Bekannten in der Firma mitarbeiten kann. Danach wechselte das Gespräch auf das Thema „Pläne für die Zukunft“ und der Frust in dem Gespräch war plötzlich verschwunden.
Der heutigen jungen Generation in Deutschland wird häufig nachgesagt, dass sie eine „0-Bock-Mentalität“ entwickelt und verlernt hat, auch unangenehme Arbeit zu tun. Da werden Rufe nach „Fördern und Fordern“ laut, wobei das Fordern im Vordergrund steht. Viel arbeiten für wenig Geld gilt als vorbildlich. Es zählt unter dem Deckmantel der Integration auf dem Arbeitsmarkt der Leitspruch „Hauptsache Arbeit“ und wer wenig verdient, der soll eben weniger kaufen.
Vertrauensverlust
Das Gespräch zwischen den beiden Frauen in der Straßenbahn hat mir aber etwas gezeigt: Es geht nicht darum, dass die junge Generation heute eine „0-Bock“Mentalität“ besitzt. Es geht um Vertrauensverlust. Die jungen Frauen in der Straßenbahn sehen nicht ein, warum sie schuften sollten, um schlecht bezahlt zu werden ohne Aussicht auf Besserung. Wie soll ein Mensch Vertrauen zu einer Wirtschaft aufbauen, die ihm ein Leben mit harter Arbeit und Armut als erstrebenswertes Ziel verspricht?
Das Gespräch der beiden jungen Frauen in der Straßenbahn hat mir noch etwas gezeigt: Wenn Menschen für ihre eigenen Ziele Arbeiten, dann entwickeln sie viel Kraft und Kreativität. Sie bekommen wieder Vertrauen in die Zukunft. Was Menschen brauchen ist Planungssicherheit für die Zukunft. Ein Mensch, der weiß, dass er die nächsten zehn Jahre nicht entlassen wird, der sieht seinen Arbeitsplatz als seinen Besitz an, den er auch bereit ist zu pflegen.
Zur Zeit ist unsere Wirtschaft aber gerade dabei, bei vielen Menschen den letzten Rest an Vertrauen zu zerbrechen und es bleibt fraglich, ob die Menschen dafür begeistert werden können, einen großen Teil ihrer begrenzten Lebenszeit für ein solches Wirtschaftssystem zu opfern. Mit „0-Bock-Mentalität“ hat das gar nichts zu tun.