Open Source – Ein Wirtschaftsmodell der Zukunft?
24.02.2009 von michey
Der Zweck der Wirtschaft
Viele reden über Wirtschaft. Wirtschaft ist wohl ein wichtiges Thema und für manche Menschen ist Wirtschaft ein todernstes Thema im wörtlichen Sinn. Es gibt Menschen, die sagen, dass die einzig wahre Wirtschaftsform die Marktwirtschaft ist, bei der vereinfacht gesagt Angebot und Nachfrage den Preis einer Ware bestimmen. Andere sagen, dass die Planwirtschaft, die einzig wahre Wirtschaft ist, bei der die Preise aller Dinge durch eine zentrale Verwaltung bestimmt werden. Andere wiederum sagen, dass die einzig wahre Wirtschaftsform aus einer Mischung aus Planwirtschaft und Marktwirtschaft besteht. Die Meinungen nehmen hier zum Teil religiösen Charakter an und Widerspruch wird nicht geduldet.
Heutzutage dominiert die Ansicht, dass die Marktwirtschaft die „bessere“ Wirtschaftsform ist. Mit dem Argument, „Das was Sie vorhaben ist nicht wirtschaftlich“ lässt sich heute fast jede Diskussion über die Machbarkeit einer neuen Idee im Keim ersticken. Es wird viel geredet und wenig nachgedacht. Aber hat sich schon mal jemand die Frage gestellt, wozu wir Wirtschaft eigentlich brauchen?
Schaut man in ein Lexikon, so taucht eine Aussage auf, die ich besonders interessant finde. Vereinfacht gesagt ist Wirtschaft die Gesamtheit aller Einrichtungen zur Deckung des menschlichen Bedarfs. Es geht also um Dinge wie Essen, Kleidung, Wohnung, Medizin und viele wichtige Dinge. Es geht also um die Nutzung von Lebensgrudlagen und um das Überleben und das ist sicherlich wichtig. Hier ist wohl die physikalische Grundlage der Wirtschaft. Die Menschen brauchen einen vollen Bauch, also Fett, Kohlenhydrate, Eiweiß, Vitamine und viele Spurenelemente in appetitlicher Form. Es geht also um Energie- und Stoffkreisläufe.
Für die Form der Organisation der Wirtschaft allerdings gibt es keine physikalischen Grundlagen, sondern nur geisteswissenschaftliche Grundlagen. Das sollte man sich immer bewusst machen. Schaut man bei Wikipedia in den Artikel über Wirtschaft, so existieren im Wesentlichen zwei Wirtschaftliche Geistesrichtungen: die zentral verwaltete Planwirtschaft und die freie Marktwirtschaft. Viele Menschen können heutzutage lediglich in diesen zwei Richtungen denken. Betrachtet man aber einerseits die Tatsache, dass die Wirtschaftswissenschaft hauptsächlich auf geisteswissenschaftlichen Grundlagen aufgebaut ist und dass vom physikalischen Standpunkt betrachtet mehr als zwei Möglichkeiten der Versorgung der Menschen mit Gütern existieren, bringt mich das schon sehr zum Nachdenken.
Die geistige Grundlage unserer Wirtschaftform
Die Grundlage unserer heutigen Wirtschaftsform ist das Eigentum an Lebensgrundlagen. Der Eigentümer einer Lebensgrundlage darf bestimmen, wer die Lebensgrundlage in welcher From nutzen darf. Der Eigentümer darf für die Nutzung der Lebensgrundlage durch andere einen Zins verlangen. Er kann die Zahlung des Zinses mit Hilfe der Staatsgewalt auch gewaltsam durchsetzen. Da es sich in diesem Fall um Lebensgrundlagen handelt, hat der Nutzer der Lebensgrundlage dem Eigentümer wenig entgegenzusetzen, denn regelmäßig Wohnen und Essen muss jeder irgendwie.
Für das Eigentum an sich gibt es keine physikalische Grundlage, dass es Eigentum geben muss. Die Idee des Eigentums basiert lediglich auf geistige Grundlagen, die in unserem Rechtssystem sichtbar werden. In einer Planwirtschaft ist der Staat der Eigentümer aller Lebensgrundlagen, in einer Marktwirtschaft sind es mehr oder weniger viele Privatleute. In diesem Zusammenhang sei auf den Ursprung des Wortes „Privat“ hingewiesen ;) Die Stoffe in unserem Universum existieren auch dann, wenn keiner Eigentumsansprüche darauf anmeldet. Auch dieser Sachverhalt bringt mich zum Nachdenken.
Open Source – Die verrückte Welt des Schenkens
Wer denkt bei Open Source nicht spontan an das Computer-Betriebssystem Linux? Da programmieren Leute komplette Betriebssysteme und viele Anwendungsprogramme und schenken diese einfach so her? Aus Marktwirtschaftlicher Sicht ist das völlig unsinnig. Eine solche Vorgehensweise führt doch nur dazu, dass die Programmierer eines solchen Betriebssystems das Recht aufgeben, Zinsen für die Nutzung der Programme zu verlangen. Welchen Nutzen haben die Programmierer eines Betriebssystems wie Linux davon, Jahre an Arbeit für nichts und wieder nicht zu verschwenden? So ein Schwachsin !!!
Doch was geschieht? Andere Programmierer schnappen sich die Quellcodes, also die Quellen der Programme und beginnen, diese zu verbessern und weiter zu entwickeln. Warum machen sie das? Ganz einfach, weil sie die Programme nutzen wollen, aber mit den bestehenden Programmen nicht zufrieden sind. Diese Programmierer, die sich die Quellcodes geschnappt haben, schenken die weiterentwickelten Prgramme wieder her und das Spiel beginnt von Neuem. Linux wächst und wächst und wächst und es programmieren millionen von Menschen daran herum – einfach so. Andere Menschen benutzen Linux, um Lebensgrundlagen zu erschaffen, also zum Beispiel um Maschinen zu konstruieren, die Energie gewinnen. Hier werden zum Beispiel durch eine Kultur des Schenkens plötzlich Lebensgrundlagen erschaffen, und das ganz ohne Eigentum. Ganz richtig ist das nicht … ich habe da noch etwas vergessen zu erwähnen. Der Programmierer behält das Eigentum ein seinem Programm aber er stellt es unter die General Public Licence (GPL).
Die GPL gewährt den Nutzer eines Programms vier Freiheiten:
- Er darf das Programm (auch gewerblich) nutzen
- Er darf das Programm samt Quellcode kostenlos kopieren und weitergeben
- Er darf das Programm studieren und ändern
- Er darf die geänderten Programme vertreiben, wobei er auch den Quellcode weitergeben muss.
Es gilt dabei das Copyleft Prinzip, das besagt, dass alle von einem GPL-Programm abgeleiteten Programme wiederum unter der GPL stehen müssen.
Am Beispiel Linux kann sehr schön gezeigt werden, dass eine Wirtschaftsform, die auf einer Kultur des Schenkens basiert, selbstorganisierend möglich ist. Diese Entwicklung lässt sich nicht in die Schemata Planwirtschaft oder Marktwirtschaft einteilen. Her ist etwas im entstehen, was die Zukunft stark beeinflussen wird.
Open Source weiter denken – Die Wirtschaft der Zukunft
Wenn ich die Entwicklung des Betriebssystems Linux betrachte, dann denke ich spontan an die Möglichkeiten, die sich aus der Idee der Opensource Software auf die Bereiche Technik, Landwirtschaft, Medizin, Kunst oder Wissenschaft ergeben. (Anmerkung: Ich möchte hier auf das Stichwort der Open-Source-Hardware verweisen.) Da kann man jetzt auch sagen „Ja Moment mal; Das ist doch nicht wirtschaftlich! Man will ja schließlich Geld verdienen!“
Wir sollen im Hinterkopf behalten: Der Zweck der Wirtschaft ist die Versorgung der Menschen mit den Gütern, die sie benötigen. Zweck der Wirtschaft ist nicht die Gewinnmaximierung, Geld zu verdienen, irgendein Wettbewerb oder das Überleben des Stärksten im sozialdarwinistischen Konkurrenzkampf.
Vielmehr geht es um die Schaffung von Lebensgrundlagen. Angenommen, ein Physiker berechnet die Machbarkeit eines neuen, sehr effizienten Windrades. Er veröffentlicht seine Berechnung unter einer Art GPL. Ein Ingenieur liest von dieser Lizenz und konstruiert dieses Windrad und veröffentlicht es auch unter der GPL. Ein Handwerker lädt sich die Konstruktionszeichnungen aus dem Internet und baut das Windrad und bietet es in seinem Produktsortiment an. Die Verbesserungen an der Konstruktion veröffentlicht er auch unter der GPL. Der Physiker erfährt von dem Handwerker, kauft sich von ihm ein Windrad und stellt es sich in seinen Garten. Er hat nun eine Lebensgrundlage in seinem Garten stehen, die für ihn Energie gewinnt. das Geld, was der Handwerker vom Physiker bekommt, ist durch die Erträge des Windrades gedeckt. Was macht der Ingenieur? Der Ingenieur bekommt vom Physiker zwei Monate später einen Auftrag zur Konstruktion einer Versuchsapparatur, weil der Physiker erfahren hat, dass der Ingenieur das Windrad konstruiert hat. Die Möglichkeiten des Universums sind hier sehr vielfältig.
An alle, die jetzt sagen, dass der Physiker ja erst eine Genehmigung für das Windrad braucht möchte ich nur eins sagen:
Denkt nicht immer so negativ! Es werden Genehmigungen für ganz andere Sachen erteilt (Asse II) Da wird doch ein so kleines Windrad mit etwas Fingerspitzengefühl machbar sein … ;)
Du bringst es sehr schön auf den Punkt, was der Zweck der Wirtschaft ist. Und dies zu betonen ist enorm wichtig, wenn man von Open Source Strategien spricht, weil der Geldfaktor untergeordnet ist, aber der eigentliche Zweck ohne Umweg verfolgt wird: bedürfnisorientierte Versorgung von Menschen mit dem Lebensnotwendigen.
Ich muss wieder in die Tasten greifen, um diesen Artikel zu loben- die Thematik ist spannend und die potenziellen Möglichkeiten, die aufgezeigt werden, faszinierend.
Trotzdem bleibt bei mir eine gewisse Skepsis, inwiefern sich Open Source auch auf materielle Güter übertragen lässt.
Am besten übertragbar scheinen mir die OS- Prinzipien auf Güter, die _wissensbasiert_ und weniger materiell sind. Das sind viele, es werden immer mehr und da kann die Verbreitung über das Netz sicher grosse Enerigen und kreative Kräfte freisetzen.
Bei den eher materiellen Gütern aber (für mich z.B. ein Toaster- vgl. in Reto Stauss‘ Blog http://www.manufakturingruendung.ch) sehe ich hierbei eher das Problem der Allokation, also die Frage, wie die benötigten Rohstoffe zum Endverbraucher kommen.
Und überhaupt denke ich, dass die Versorgung mit materiellen Gütern in unseren (post-) industriellen Gesellschaften eher weniger ein Problem sind. Problematisch finde ich da eher das Überangebot und die Schwierigkeit, sich auf Wesentliches zu konzentrieren.