Lebensgrundlagen und Bürgerrechte
01.10.2009 von michey
Was ist Freiheit?
Immer dann, wenn ich persönlich mitbekomme, wie in meinem Bekanntenkreis Menschen ausgebeutet werden, macht sich in meiner Magengegend so ein eigenartiges Gefühl breit, das ich zumeist nicht an mich heranlasse. Es werden Menschen ausgebeutet? In Deutschland? Wir sind doch ein freies Land, ein Rechtsstaat, eine freie Marktwirtschaft, eine Demokratie voller mündiger Bürger. Nun ja – vielleicht bin ich etwas zart besaitet – gut ich gebe es zu, ich bin zart besaitet. Wenn ich sehe, dass Menschen aus Altersgründen vom Arbeitsmarkt nicht gewollt werden und deshalb für das Geld, das sie von der Arbeitsagentur bekommen zu einem Hungerlohn Zeitungen austragen, und dieses Geld dann für Miete und Essen drauf geht, dann nenne ich das Aubeutung. Ist das wirklich Ausbeutung, gar eine verfeinerte Form der Sklaverei? Wodurch zeichnet sich ein Sklave aus? Tragen Sklaven immer Eisenketten am Fuß und werden sie mit Peitschen zur Arbeit getrieben? Ist ein Mensch, der ein Arbeitsverhältnis aufgrund der Androhung von wirtschaftlicher Sanktionen nicht beenden kann ein freier Mensch oder ein Sklave?
Hier möchte ich auf den Sachverhalt der Lohnsklaverei erwähnen. Lohnsklaverei ist ein Arbeitsverhältnis, bei dem niedrigste Löhne gezahlt werden, so dass der Lohn nur für ein Leben am Rande des Existenzminimums reicht. Aber haben all die Niedriglöhner in Deutschland nicht genug Geld? Sie können sich ja eine beheizte Wohnung leisten, vielleicht sogar noch einen gebrauchten Fernseher, und verhungern muss in Deutschland schließlich keiner. Das Problem in Deutschland ist, dass sich jeder eine beheizte Wohnung leisten muss. Wer versucht, einfach ein Stück Land zu besetzen um sich darauf eine Hütte aus Grassoden zu bauen, der wird sich wundern, wie schnell die Polizei anrückt und die Besetzung des Landes beendet. Es ist auch in Deutschland so, dass die Löhne mancher Menschen gerade so für ein Leben am Existenzminimum reichen. In Deutschland findet die Sklaverei nicht in stinkenden Holzbaracken statt sondern hinter den Fassaden weiß gestrichener Reihenhäuser, Wärmegedämmt nach der neusten Energieeinsparverordnung und mit einem sauber gemähten Rasen davor. Ordnung muss sein!
Wo bleibt da der mündige Bürger in einer freien Gesellschaft? Was ist Freiheit anders als die Möglichkeit, nicht das tun zu müssen, was ein anderer fordert? Wenn ich diese Frage beantworte stelle ich ernüchtert fest, dass viele Menschen, die zu niedrigsten Löhnen arbeiten müssen, im Grunde genommen Sklaven sind, auf eine feine, subtile Art versklavt, ohne die unappetitlichen Erscheinungen der Sklaverei vergangener Zeiten. Ich habe schon Leute sagen gehört, dass die Menschen, die Geld von der Arbeitsagentur bekommen gefälligst etwas für dieses Geld tun sollen. Da müsse man eben jede zumutbare Arbeit annehmen, und zumutbar ist jede Arbeit – außer vielleicht Prostitution, weil das ja nicht den Sitten hierzulande entspricht. Diese Einstellung ist aber nichts weiter als die Einstellung derjenigen die meinen, frei zu sein – was für ein Irrtum.
Die Grundlage der Freiheit
Warum sind viele Menschen in Deutschland noch einigermaßen frei? Mit Sicherheit nicht, weil sie ihre Freiheit mit ihrem Leben verteidigen würden. Die meisten Menschen können sich heute überhaupt nicht verteidigen und würden schön brav in ihrer Wohnung bleiben, wenn eine Ausgangssperre verhängt würde. Nein – die meisten Menschen sind deshalb frei, weil sie eigene beliebig kopierbare Lebensgrundlagen wie eine Berufsausbildung ihr Eigentum nennen können, ohne dass sie sich dessen bewusst sind. Diese Menschen sind deshalb frei, weil sie gebraucht werden. Ohne das Können dieser Menschen wäre eine Gesellschaft mit einem so hohem technischen Standard, wie wir ihn z.B. hier in Deutschland haben, nicht möglich. Dieser Sachverhalt wird daran deutlich, wie die Gesellschaft mit den Menschen umgeht, die aufgrund der Automatisierung der Schwerstarbeit nicht mehr gebraucht werden. Diese Menschen werden als faule Schmarotzer abgestempelt, ins Abseits gestellt. Oft werden sie sogar durch die Leute schikaniert, welche die Auszahlung der staatlichen Sozialleistungen verwalten sollten. Man bedenke, das die staatlichen Sozialleistungen durch die Maschinen erwirtschaftet werden, die die heute anstatt von Menschen die Schwerstarbeit für uns tun.
Was bleibt also zu tun?
Das sich von Seiten der Politik etwas gegen die Ausbeutung von Menschen getan wird, denke ich eher nicht. Ich persönlich sehe die einzige Möglichkeit der Stärkung der Freiheit darin, dass jeder, der nach Freiheit strebt, zuerst eigene Lebensgrundlagen erschafft. Das kann konkret durch folgende Ansetze realisiert werden:
- Aneignung von Wissen, mit dem man Lebensgrundlagen wie Essen, Kleidung, Wohnung, Mobilität, Gesundheit, Telekommunikation etc. erschaffen kann.
- Die Realisierung eigener Ideen, die Lebensgrundlagen erschaffen können. Es reicht dabei völlig aus, wenn diese Idee in Form eines Modells als Hobby realisiert wird. Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie viele Firmen Interesse an Technik haben, die bereits einmal erfolgreich realisiert wurde, selbst wenn es nur in Form eines Modells geschieht.
- Die Vernetzung mit anderen Menschen, die auch Ideen zur Erschaffung von Lebensgrundlagen realisieren wollen.
Eigene Lebensgrundlagen sind die Basis für die eigene Freiheit und somit für eine freie Gesellschaft.
Ohne eigene Lebensgrundlagen hingegen ist die Freiheit lediglich eine Illusion, die Spaß macht, genau so wie der Weihnachtsmann oder der Osterhase. Irgendwann muss aber jeder erfahren, dass es den Osterhasen nicht gibt und dass Papa oder Mama die Eier versteckt.
Ergänzung am 07.01.2010: michey
Für alle „Bürgerinnen und Bürger“ die noch denken, dass sie ohne eigene Lebensgrundlage Rechte haben, möchte ich auf den §§ 31 Abs 1 Satz 2 des SGBII verweisen. Das hat folgende Konsequenz: Wenn einem bedürftigen Menschen durch die Streichung der finanziellen Mittel der Zugang zu physikalischen Lebensgrundlagen versperrt wird, wodurch wiederum die physische Existenz, unter der Voraussetzung, am Leben zu sein, bedroht ist, hat dieser bedürftige Mensch auch keine Möglichkeiten sich zu wehren. Er ist dem Verwalter der finanziellen Mittel somit hörig, zum Teil rechtlich und vor allem wirtschaftlich von ihm Abhängig, also laut Definition ein Sklave.
Ein weiterer interessanter Bericht über die Sanktionierung der Menschen, die von unserer Wirtschaft aufgrund der Automatisierung der Arbeit nicht mehr gebraucht werden, befindet sich hier.
Einen Arbeitsplatz zu „besitzen“ heißt nicht, eine eigene Lebensgrundlage zu haben. Das ist sehr wichtig. Einen Arbeitsplatz zu haben, oder besser gesagt, einen Arbeitsplatz gewährt zu bekommen heißt, an der Lebensgrundlage eines Anderen teilhaben zu dürfen. Es ist bildlich gesprochen vergleichbar mit dem Futter, dass mein seinem Arbeitspferd gibt, damit es den Pflug ziehen kann. Kauft sich der Bauer einen Traktor, dann braucht er das Pferd nicht mehr und das Pferd muss sich eine neuen Arbeitsplatz suchen … oder es gibt ein großes Festessen, wo das Pferd dann auch dabei ist … aber das ist ja nur eine Metapher.
Ich kann es nur immer wieder betonen: Erschafft Euch eigene Ressourcen und teilt sie im Austausch mit anderen Menschen. Um die Sache etwas anschaulicher zu machen: Wenn Ihr es schafft, zur Beschaffung der nötigen Dinge des Alltags, im Austausch mit anderen Menschen, keine Euros und Dollars zu brauchen, dann ist das ein möglicher Indikator dafür, dass Euer Bekanntenkreis eigene Lebensgrundlagen hat und relativ frei ist.
Sehr guter Artikel! Einen sehr guter Ausweg aus der modernen Sklaverei würde das „Bedingungslose Grundeinkommen“ bieten! Aber die Umsetzung …..
Sehr gut kombiniert!
Es bleibt eine Tatsache, dass allein das Wissen und die Ideen unerschöpflich sind. Sie können sich schneller vermehren als das Geld durch den Zins und Ihr Wert nimmt dabei nicht ab.