Lebensgrundlagen
10.07.2009 von michey
Der Blick auf das Wesentliche
Wenn ich mit Menschen über das Thema Wirtschaft spreche, dann begegnen mir zumeist zwei Gruppen von Menschen. Ich nenne sie mal „Idealisten“ und „Realisten“, ohne diese Menschen in eine der beiden Schubladen stecken zu wollen. Ich nenne sie nur so, um meine Ausführungen etwas plakativer zu machen.
Spreche ich mit Realisten, dann dreht sich das Thema bei Gesprächen bezüglich Wirtschaft oft nur um zwei Begriffe: Arbeit und Geld. Viele der Realisten, die ich so erlebe, sehen ihren Blick vor allem darauf gerichtet, möglichst viel Geld zu verdienen und einen sicheren Arbeitsplatz zu haben. Arbeit ist für sie die Grundlage ihres Lebensstandards und viele Realisten sehen im technischen Fortschritt den Beweis, dass das bestehende Wirtschaftssystem ja gar nicht so schlecht sein kann. Viele der Realisten wenden ihren Blick von den unschönen Seiten des Wirtschaftslebens ab. Wenn jeder seines Glückes Schmied ist, dann wird der Grund für Armut wohl bei den Betroffenen selbst zu suchen sein. Dennoch haben viele der Realisten Angst, selbst einmal die hässlichen Seiten des Wirtschaftslebens zu spüren und deshalb sprechen sie meist nicht wirklich gerne darüber und gehen schnell zu einem schöneren Gesprächsthema über wie zum Beispiel die neusten Computer auf dem Markt oder der Verdauung ihres Hundes.
Begegnen mir Idealisten, dann höre ich zumeist viel Kritik an unserem bestehenden Wirtschaftssystem. Es wird in Gesprächen zum Thema Wirtschaft viel über Armut, Ausbeutung, Umweltverschmutzung gejammert. Idealisten haben aber durchaus Ideen für die Lösung wirtschaftlicher Probleme bereit. Viele dieser Idealisten engagieren sich aktiv für ihre Ideen und belasten sich bis an die Grenze des Machbaren. Viele dieser Initiativen haben durchaus Erfolge zu verzeichnen, aber meist hängt dieser Erfolg an wenigen Idealisten, die diese Ideen ehrenamtlich anschieben. Wenn diese Anschieber irgendwann erschöpft sind, oder verlockende Angebote für wirtschaftliche Tätigkeiten jenseits ihrer Ideen wirtschafltiche Sicherheit versprechen, dann bricht die Initiative zumeist sehr schnell zusammen.
Ich habe mich deshalb gefragt, woran es liegt, dass sich bezüglich des Themas Wirtschaft die allermeisten Menschen im Kreis zu drehen scheinen. Es ist schon irgendwie verrückt: Selbst Insekten, Würmer, Mäuse – im Grunde genommen alle Tiere wissen, wie sie wirtschaften müssen um zu überleben. Nur wir Menschen bekommen es nicht auf die Reihe. Also woran liegt es, dass wir bezüglich des Themas Wirtschaft so hilfos zu sein scheinen? Was wissen die Mäuse, was wir nicht wissen?
Meiner Ansicht nach liegt die Anwort auf der Hand, auch wenn ich jetzt damit sehr stark provozieren dürfte. Die Antwort heißt
EIGENE LEBENSGRUNDLAGEN
Das ist es, um was sich alles Dreht. Alles Leben strebt danach, eigene Lebensgrundlagen zu besitzen und das ist es auch, um was sich unser menschliches Wirtschaftssystem dreht. Es ist nicht die Arbeit oder das Geld sondern das Eigentum an Lebensgrundlagen. Der Eigentümer einer Lebensgrundlage kann bestimmen, wer seine Lebensgrundlage nutzen darf. Das heißt, dass der Eigentümer einer Lebensgrundlage darüber bestimen darf, wer ein stückchen Existenzberechtigung bekommt. Nicht die Arbeit, Geld oder Geschäftsmodelle sind Lebensgrundlagen sondern Boden, Kulturpflanzen, Rohstoffe, Maschinen, Technologien, Wissen, Medizin, Energie usw.
Ich möchte hier folgende These aufstellen, die sich auf meine Erfahrung begründet: Eine Initiative, die nicht gleichzeitig mit ihrer Gründung die Erschaffung von Lebensgrundlagen erreicht, ist auf dauer nicht eigenständig lebensfähig.
Hierin ist wahrscheinlich der Grund zu suchen, warum so viele Initiativen scheitern.
Nützlinge und die Knappheit
Viele Ressourcen scheinen begrenzt und knapp. Knappheit ist die Voraussetzung unseres bestehenden Wirtschaftssystems, denn nur wenn ein Gut knapp ist, kann dafür ein Preis verlangt werden. Wollte ich Luft verkaufen, ich würde keine Käufer finden, weil einfach zu viel davon da ist. Doch warum sind Ressourcen, die auch zumeist Lebensgrundlagen sind, knapp? Ein Grund dafür kann darin liegen, dass die Eigentümer dieser Ressorucen den Zugang künstlich beschränken und so eine künstliche Knappheit verursachen.
Ein anderer physikalischer Grund ist, dass die Nutzung der Ressourcen, so wie wir sie heute zumeist praktizieren, schädlich für die Ressoruce ist. Wir verbrauchen Ressourcen – und produzieren Müll. Professor Michael Braungart hat bei einem Vortrag das schöne Beispiel von den Ameisen gebracht, deren Biomasse ungefär 30 Milliarden Menschen entspricht und die zumeist keine Vegetarier sind. Der Unterschied zwischen Ameisen und Menschen ist nur, dass Ameisen keinen Müll produzieren und ihre Ressourcen nicht verbrauchen. Was kann man darus schließen?
Ein Ingenieur, der eine Technologie so konstruiert, dass sie nicht schädlich sondern nützlich für ihre Ressource ist, erschafft eine Lebensgrundlage, die von ihrem Wesen her nicht knapp ist. Dies gilt es weiterzudenken und hier ist Kreativität gefragt. Es liegt nicht an Politikern, etwas zu verändern, sondern an jedem, der neue Technologien in die Welt setzt.
Ein interessanter Artikel, der zum Nachdenken anregt.
Nur mal ein Gedanke herausgegriffen: Den Begriff der „Knappheit“ finde ich durchaus vielschichtig. Zum einen: Wer möchte schon knapp überleben können?
Den meisten reicht das wohl nicht, sie möchten sehr gut und möglichst luxuriös leben- wie auch immer jeder dies für sich definiert.
Andererseits werden Dinge dann am besten genutzt, wenn sie knapp sind; nicht zuletzt weil sie am Markt teuer sind und daher möglichst effektiv genutzt werden müssen.
„Knappheit“ sorgt somit dafür, dass Menschen sorgsamer mit bestimmten Gütern umgehen, dass sie innovative Ideen entwickeln, um beispielsweise günstigere Ersatzstoffe einzusetzen.
Es ist also wieder mal die Diskussion um das rechte Maß, die hier berührt wird.
Ich sehe ein Problem darin, dass wir heute gewohnt sind, Güter/ Ressourcen selbstverständlich in Anspruch zu nehmen, die bislang in der Geschichte nur wenigen Reichen vorbehalten waren- soweit überhaupt verfügbar.
Knappheit/ Mangel als etwas Positives zu betrachten ist vermutlich das so ziemlich „mega-outeste“ was man heutzutage machen kann. Und trotzdem: Immer wieder gab es Bewegungen in der Geschichte, wo Menschen auf äusseren Reichtum bewusst verzichtet haben, weil sie um Werte wussten, die über eigenes Wohlgefühl hinausgehen.
Auch wenn dies bei mir mal deutlich anders war, so beeindrucken mich heute viele Menschen der Generation 75+X. Sie waren lange gezwungen, sehr bescheiden zu leben und haben dies oft so verinnerlicht, dass sie es auch heute noch tun, auch wenn sie es -materiell- nicht mehr nötig hätten. Hingegen nervt mich die Anspruchshaltung und (zumindest geistige) Behäbigkeit der nachfolgenden Generationen.
Ein interessanter Kommentar, der auf die positiven Auswirkungen von Knappheit hinweist. Einen solchen Gedanken aufzugreifen ist keinesfalls „out“, sondern weist auf einen wichtigen Mechanismus hin. Knappheit kann durchaus dazu führen, dass Ressourcen effizienter und sparsamer genutzt werden. Im Grunde genommen geht es aber nicht um die Knappheit von Ressourcen, denn diese ist lediglich ein Symptom. Es geht vielmehr um eine negative (selbstschützende) Rückkopplung bezüglich der Nutzung von Ressourcen, vergleichbar mit der Rückkopplung in der Regelungstechnik, die ein Übersteuern einer Anlage verhindert.
Eine negative (selbstschützende) Rückkopplung lässt sich zum Beispiel dadurch erreichen, dass mit der Erschaffung einer Ressource ein Aufwand verbunden ist, den der Nutzer selbst direkt oder indirekt tragen muss. Das geschieht zum Beispiel dadurch, dass ein Nutzer die von ihm geschaffene Ressource pflegt, anstatt sie zu verbrauchen. Die Ressource muss also nicht zwingend knapp sein. Wenn es einem Nutzer gelingt, die Ressource mit wenig Aufwand direkt oder indirekt zu regenerieren, kann er die Ressource auch um so mehr nutzen, ohne sie dabei zu verbrauchen. Die Entscheidung liegt hier beim Nutzer selbst, wie gut er seine Ressource pflegt. Pflegt ein Nutzer seine Ressource nicht, wird sie sicherlich knapp werden. Es liegt aber am Nutzer, wann er diese Knappheit wieder beendet.
Wird Knappheit künstlich durch den Eigentümer der Ressource erzeugt, dann muss sie nicht unbedingt mit der Intensität der Nutzung korrelieren. Knappheit ist dann nicht mehr Teil einer Rückkopplung. In diesem Fall wird Knappheit zum Mittel um Kontrolle über die Nutzer zu erreichen – ein Mittel zur Ausübung von Macht.