Entwicklungshilfe
15.02.2010 von michey
Entwicklungshilfe weit, weit weg
Ich sitze hier in meiner warmen Wohnung an meinem Schreibtisch und lasse gerade Gedanken Revue passieren, die mich seit den Gesprächen mit Ingenieuren beschäftigen, die Entwicklungshilfe betreiben. Diese Ingenieure bauen Zisternen und setzen sich für die Weitergabe von technischem Wissen ein. Dabei wächst in mir das Bedürfnis, auch etwas tun zu müssen und so denke ich darüber nach, auch irgendwie weit weit weg zu fahren, vielleicht nach Afrika oder Südamerika zu Menschen, von denen ich glaube, dass man ihnen mit Technik helfen kann. Sicher ist es eine gute Sache, anderen Menschen zu helfen und Leiden zu lindern, aber irgendwie spüre ich, dass dies nicht mein Weg ist.
Ich frage mich immer wieder, warum es vielen Menschen in anderen Ländern weit, weit weg so schlecht geht, warum viele von ihnen kein Wasser und kaum etwas zu Essen haben, warum sie täglich um ihre Existenz fürchten müssen. Ich denke, dass viele Dinge auf der Welt deshalb schief laufen, weil die Menschen in diesen Ländern durch die Gesellschaft, in der ich lebe, ausgebeutet werden. Ich bin ein Teil der Gesellschaft, die andere Menschen ausbeutet und bin irgendwie an der Ausbeutung beteiligt. Ich kaufe zwar meinen Kakao, meistens im Fair Trade Laden in der Stadt, aber irgendwie kommt mir das vor wie Schuldmanagement. Ich versuche, so wenig schädlich wie möglich zu sein, aber eigentlich ist der Versuch, möglichst wenig schädlich zu sein ziemlich unsinnig. Ich habe das Gefühl, dass ich die falsche Frage stelle. Was ist eigentlich die Frage? Warum beute ich indirekt über sieben Ecken den Rest der Welt aus, obwohl ich das gar nicht will?
Entwicklungsländer – und eine gewagte These
Was sind Entwicklungsländer? Wer stellt sich jetzt nicht viele dunkelhäutige Menschen vor, die in solchen „Entwicklungsländern“ von Hilfslieferungen leben, so wie man es aus dem Fernsehen kennt? Ich denke, hier steckt ein Dankfehler. Darum möchte ich versuchen, einmal umgekehrt zu denken und die Vorstellung vom Entwicklungsland einmal bei Seite zu legen.
Was wäre, wenn nicht die Länder weit, weit weg die Entwicklungsländer sind sondern die sogenannten Industrieländer, also auch Deutschland? Warum brauchen die Industrieländer Entwicklungshilfe, wo die Menschen dort doch alles haben, was sie sich nur wünschen können? – Stop – Haben die Menschen alles, was sie zum Leben brauchen? Ich denke, hier bin ich auf einen weiteren Gedankenfehler gestoßen. Die Menschen in den Industrieländern haben von dem, was sie zum Leben brauchen fast gar nichts. Klingt komisch oder?
Bin ich jetzt etwa völlig übergeschnappt? – ich denke nicht. Die Menschen in den Industrieländern kaufen sich das, was sie zum Leben brauchen mit Geld. Wer ist Hier in Deutschland Eigentümer des eigenen Hauses? Wer ist Eigentümer seines eigenen Ackers? Wer ist Eigentümer seiner Nähmaschine, seines kreditfinanzierten Autos, seines Abwassers, seines Giftmülls? Die Dinge, von denen wir in den Industrieländern leben liegen weit, weit weg von uns. Wir haben meist keinen Bezug zu dem was weit, weit weg von uns liegt und so bekommen wir die Auswirkungen unseres Fehlverhaltens überhaupt nicht mit. Hier liegt ein wichtiger Sachverhalt.
Entwicklungshilfe für die Industrieländer
Die Ressourcen der Industrieländer sind so konstruiert, dass sie groß sein müssen und sie sind so konstruiert, dass sie dazu neigen, nur einigen wenigen Menschen zu gehören. Deshalb habe ich mich für einen anderen Weg entschieden: Ich will Entwicklungshilfe für mich selbst und für das Industrieland Land leisten, wo ich Lebe. Ich werde versuchen meine Ressourcen so weit es mir möglich ist so zu konstruieren, dass sie dazu neigen klein zu sein und vielen Menschen zu gehören. So bekomme ich die Auswirkungen meines Fehlverhaltens direkt mit und bin nicht gezwungen, so viel Unsinn zu machen, ohne es zu merken. Dann sind der Unsinn, oder die guten Dinge, den ich mache auch nicht mehr weit,weit weg sondern in dem Dorf, in dem ich lebe. Wenn ich damit Erfolg habe, werden andere Menschen das, was ich tue nachmachen.
Diese Perspektivenänderung gefällt mir sehr gut. Und ich merke, dass ich diese unbewusst bereits teilweise vollzogen habe: ich stosse öfter auf Technologien oder Produkte, welche ich für sehr interessant halt, die aber von den Organisationen oder (Non-Proft-)Firmen, von welchen sie entwickelt worden sind, ausschliesslich in „Entwicklungsländer“ geliefert/verkauft werden. Und dies stört mich sehr, weil ich denke, dass bei uns der Bedarf an angepassten und/oder einfachen Technologien bereits vorhanden ist und noch stark wachsen wird.