Die Frage der Wirtschaftlichkeit
09.11.2008 von michey
Eine kleine Geschichte, wie sie sich hätte ereignen können…
Die Geschichte spielt in einem kleinen antiken keltischen Bergdorf in den östlichen Alpen. Die Menschen in diesem kleinen Bergdorf stellen die Dinge die sie brauchen seit Jahrhunderten selbst her, unter anderem auch Stoffe für ihre Kleidung. Die Menschen können den Weber und die anderen Handwerker des Dorfes bezahlen und keiner leidet Not.
Die Zeiten ändern sich, als 15 v.Chr. die Römer die Täler rund um das Dorf ins römische Reich eingliedern. So geschieht es, dass die Weber in den Tälern rund um das Bergdorf neue Webstühle aus Rom erwerben. Die modernen Webstühle sind leistungsfähiger als der alte Webstuhl in dem Bergdorf. Die Weber in den Tälern können ihre Stoffe zu einem Viertel des früheren Preises anbieten.
Der Weber des Bergdorfes, der die Stoffe noch mit dem alten Webstuhl herstellt, kann seinene Stoff nicht mehr verkaufen, weil die Menschen im Bergdorf nun ins Tal hinunter gehen, um den billigeren Stoff zu kaufen. Der Weber im Bergdorf verliert seine Weberei, da er nicht das Geld hat, um sich einen modernen Webstuhl zu kaufen. Selbst das ganze Dorf hat nicht das Geld für einen modernen Webstuhl, da man in dem Dorf bisher die Geschäfte durch Tauschhandel abgewickelt hatte und darum kein Geld in großer Menge nötig war.
Weil die Weberei in dem Bergdorf nun keine Stoffe mehr herstellt, müssen die Menschen in die Täler absteigen, um sich Stoffe für ihre Kleidung zu kaufen. Die Menschen des Bergdorfes haben kaum Geld, um die Stoffe zu bezahlen, und so beginnen viele Menschen, als Knechte in den Tälern zu arbeiten, um Geld zu verdienen, mit dem sie dann Stoffe kaufen können. Die Menschen aus dem Bergdorf, die in den Tälern als Knechte arbeiten müssen, fehlen bei der landwirtschaftlichen Arbeit im Bergdorf und das Bergdorf stürzt in Armut. Die Bewohner des Bergdorfes ziehen vermehrt ins Tal, um dort für ihren Lebensunterhalt als Knechte zu arbeiten.
Wie ist die Entwicklung in dieser Geschichte aus heutiger Sicht zu bewerten?
Aus unserer heutigen betriebswirtschaftlichen Sicht ist diese Entwicklung positiv, weil der freie Markt das unproduktive Bergdorf einfach „bereinigt“, wie man heute das Aussterben des Dorfes beschönigend beschreiben würde. Tatsache ist aber, dass ehemals freie Menschen aus dem Bergdorf in die Knechtschaft getrieben werden.
Was hätte der Chef des Bergdorfes anders machen können, um diese Entwicklung zu verhindern? Wäre der Kauf eines römischen Webstuhls die Lösung gewesen oder hätte der hohe Preis des römischen Webstuhls das Dorf ebenfalls in die Schuldenknechtschaft getrieben?
Wäre die eigenständige Entwicklung eines eigenen modernen Webstuhls und die Zusammenarbeit der Bergdorfbewohner bei der Erstellung eines neuen Webstuhls die Lösung gewesen?
Hätten sich die Bergdorfbewohner vielleicht von einem fähigen Handwerker aus einem anderen Dorf helfen lassen können? Was wären hierfür die Voraussetzungen, damit die Bewohner des Bergdorfes nicht durch die Beauftragung des Handwerkers wieder in die Schuldenfalle geraten würden?
Eine einfache Lösung
Die Entwicklung eines eigenen modernen Webstuhls mit Hilfe eines Handwerkers, der Webstühle konstruieren kann, wäre in der Tat eine mögliche Lösugn gewesen. Hierfür wären aber zwei wichtige Voraussetzungen npötig gewesen.
- Der Handwerker akzeptiert für die Entwicklung des Webstuhls eine Bezahlung, die durch die Dorfbewohner auch ohne wirtschaftliche Härten erbracht werden kann.
- Der Webstuhl muss so beschaffen sein, dass die Dorbewohner den Webstuhl in Eigenleistung bauen können.
- Der Webstuhl muss so beschaffen sein, dass die Bewohner des Bergdorfes ihn selbständig instandhalten können.
- Der Webstuhl muss dem Stand der Technik entsprechen.
- Alle Dorfbewohner, die am Bau des Webstuhls mitarbeiten, werden Teilhaber am Webstuhl und an den erzeugten Stoffen.
- Alle Teilhaber am Webstuhl halten den Webstuhl gemeinsam in Stand.
- Das Dorf, das den Handwerker bezahlt, wird auch Teilhaber am Webstuhl.
- Die Anteile am Webstuhl sind unverkäuflich und können nur vererbt werden.
Geschichte und Wirklichkeit
Diese Geschichte, die ich hier frei erfunden habe, spielt sich überall auf der Welt in ähnlicher Form auch heute ab. Diese Ereignisse finden überall dort statt, wo Landflucht stattfindet und die Menschen als Wanderarbeiter oder wie man heute schöner sagt „flexible Arbeitskräfte“ der Arbeit hinterher ziehen. Die Armut und die soziale Entwurzelung und der kulturelle Verfall, die hierbei entstehen, werden hinter schönen Wohnungen versteckt. Da diese Wohnungen aber kaum mehr bezahlbar sind, befinden sich auch diese Menschen in Knechtschaft, auch wenn ihre Herren heute keine Peitschen mehr tragen brauchen.