Berufsbild im Bereich der Open Source Technologie
11.04.2009 von michey
Techniker und Wissenschaftler fern der Realität
Aus meiner Erfahrung, die ich während meiner Arbeitszeit in der universitärer Forschung aber auch während einiger Industriepraktika machen durfte, kann ich sagen, dass viele Wissenschaftler und Techniker in der Industrie sowie in den Forschungseinrichtungen oft fern der Realität leben und arbeiten. Das liegt vor allem daran, dass sich die Arbeit von Wissenschaftlern und Technikern in der Industrie hauptsächlich mit dem Tagesgeschäft des Unternehmens befasst, für das sie arbeiten. In vielen Industriebetrieben und Forschungseinrichtungen Zählt vor allem, mehr als das geforderte Arbeitspensum zu erfüllen, die Arbeitskollegen daran zu hindern, in der Firmenhierarchie aufzusteigen und beim eigenen Vorgesetzten eine möglichst gute Figur zu machen. Für die Beschäftigung mit Wissenschaft und Technik bleibt da kaum Zeit. Um den Menschen außerhalb des eigenen Unternehmens zuzuhören und sich mit deren Aussagen zu beschäftigen, bleibt noch weniger Zeit. So kann ich anhand dessen, was ich selbst erlebe, aber auch, was mir Freunde und Bekannte berichten immer wieder sehen, dass in vielen Unternehmen zwar das für die Produktion notwendige Spezialwissen da ist, aber die technische-, wissenschaftliche- und philosophische Allgemeinbildung gepaart mit fundierten Kenntnissen nur wenig vorhanden ist.
Um sich eine solche Allgemeinbildung anzueignen und diese auch zu pflegen braucht man viel Zeit: Zeit zum Lesen und Recherchieren, Zeit zum Denken, Zeit, um mit anderen zu sprechen, Zeit, um anderen Menschen zuzuhören, Zeit, um an interessanten Dingen zu basteln, Zeit, um die eigenen Grenzen zu erweitern und Zeit, um sich mit Kunst und Philosophie auseinander zu setzen. Jemand, der in seinem Unternehmen in der Hierarchie aufsteigen muss, um nicht eines Tages rausgeschmissen zu werden, der hat diese Zeit so gut wie gar nicht. Für den einzelnen bleibt in letzter Konsequenz keine Zeit darüber nachzudenken, ob das eigene Handeln schädlich für die Allgemeinheit oder die Umwelt ist oder nicht.
Während meines Studiums habe ich einmal von einem Dozenten den Spruch gehört, dass ich das, was ich in der Uni lerne, in der industriellen Praxis sowieso nicht brauchen werde. Ich bin heute nicht in der Industrie beschäftigt sondern selbständig, und ich brauche das theoretische Wissen aus der Uni so dringend, wie mein tägliches Brot. Die technische-, wissenschaftliche- und philosophische Allgemeinbildung, die ich mit viel Zeitaufwand pflege, hilft mir täglich, unter Umständen folgenschwere Entscheidungen zu treffen, die ich ohne fremde Hilfe treffen muss.
Besondere Anforderungen an Entwickler von Open Source Technologien
Gerade in der Entwicklung von Open Source Technologien, die durch die Erträge der Prototypen finanziert werden, muss ein sehr hohes Maß an Effizienz erreicht werden. Meist ist kein Geld da, um nach dem Prinzip „try and error“ so viele Fehlversuche durchzufühern, bis die Technologie irgendwann serienreif ist. Der Prototyp muss häufig auf Anhieb funktionieren und hauptsächlich aus zum Teil zweckentfremdeten Kaufteilen bestehen. Fehlschläge können den wirtschaftlichen Ruin bedeuten. Das erfordert ein Höchstmaß an Kreativität, eine umfangreiche Allgemeinbildung, aber auch eine große Offenheit für die technischen Lösungen anderer. Das wiederum erfordert viel Zeit.
Die Aus- und Weiterbildung von Wissenschaftler und Technikern unter Zeitmangel, wie sie in der heutigen Industrie zum Teil praktiziert wird, ist meist nicht ausreichend, um die Entwicklung von Open Source Technologien inklusive der Finanzierung durch die Erträge des Prototypen durchzuführen. Ein Berufsbild, dass die nötigen Voraussetzungen für den Open Source Bereich erfüllt, ist mir vor einiger Zeit begegnet, als ich mich mit dem Begriff des „Hackers“ befasste.
Hacker als möglicher Beruf in der Open Source Technologie
Bei der Betrachtung des Begriffs des „Hackers“ auf den ich vor kurzem gestoßen bin, habe ich viele Antworten auf die Frage nach den Anforderungen an Technikern und Wissenschaftlern in bei der Entwicklung von Open source Technologien gefunden. Zuerst ist es aber wichtig den Begriff der „Hackers“ zu definieren.
Ein Hacker ist im Allgemeinen ein Technik-Enthusiast mit umfangreichen technischen Grundlagenkenntnissen, der Technologien verschiedenster Art außerhalb ihrer Zweckbestimmung verwendet [Quelle: Wikipedia]. Wau Holland, einer der Leitfiguren des Chaos Computer Clubs, erklärte den Begriff des Hackers mit folgendem Satz: „Ein Hacker ist jemand, der versucht einen Weg zu finden, wie man mit einer Kaffeemaschine Toast zubereiten kann“ Dieser Satz betont den kreativen Umgang mit Technik als einen wesentliche Eigenschaft eines Hackers.
Um Technik auf dieses Weise einsetzen zu können bedarf es viel Zeit für die Pflege des eigenen Wissensschatzes. Wer kennt nicht das Klischee des Hackers, der von morgens bis tief in die Nacht allein in seinem Ein-Zimmer-Apartment am Computer sitzt und sich von Pizza, Cola und Kaffee ernährt. Dieses Klischee mag in der Realität nicht zwingend zutreffen, aber es ist ein Bild dafür, dass ein Hacker fernab von den Intriegen in großen Firmen viel Zeit damit verbringt, seinen Wissensschatz zu pflegen und ständig seine Grenzen zu erweitern.
Die Möglichkeiten, die ein solcher Wissensschatz zusammen mit der Zeit für Kreativität bietet, sind enorm und haben vielleicht zum Mythos des Hackers beigetragen. Es bleibt zu überlegen, ob im Bereich der Open Source Technologien die Lebenseinstellung des „Hackers“ auch die Vorlage für ein Berufsbild sein könnte.
Gesellschaftliche Verantwortung
Technik und Wissenschaft sind in unserer heutigen Zeit vor allem Abhängig vom Geld. Technik und Wissenschaft sind eine der wichtigsten Lebensgrundlagen unserer Gesellschaft und sie werden durch das Vorhandensein von Geld bestimmt. In wichtigen Fragen, die die gesamte Gesellschaft betreffen, wie z.B. die Kernenergie, sind die Wissenschaftler, die die Bevölkerung informieren soll(t)en vom Geld abhängig. Dabei bestimmt derjenige, der den Wissenschaftler bezahlt, was in dem Gutachten steht. Ist ja eigentlich auch logisch: Ich persönlich würde ja auch nicht für ein Gutachten bezahlen, das meinen Absichten in die Quere kommt – da wäre ich ja schön blöd ;) Also bekommt die Bevölkerung das zu hören, was sie hören soll und das ist bestimmt nicht förderlich für die Demokratie.
Wo soll also einzelne Bürger die Informationen her bekommen, die er oder sie braucht, um demokratische Entscheidungen treffen zu können? Antwort ist eigentlich bestechend einfach. Ich möchte das kurz an einem Beispiel erläutern, das ich recht nett finde:
Die Geschichte ist wahr und sie hat sich im Sommer 1994 zugetragen, als der Komet Shoemaker-Levy 9 auf dem Planeten Jupiter eingeschlagen ist. Einige Tage davor klingelten meine Nachbarn an meiner Tür mit der Bildzeitung in der Hand – ich denke, es war die Bildzeitung. Ich war damals im Dorf als Astronomie-Enthusiast bekannt, der nachts mit dem Ferrohr auf der Wiese steht und den Himmel Fotografiert. Meine Naschbarn zeigten mir einen Artikel in der Zeitung über den Einschlag von Shoemaker-Levy 9, der in der Randspalte der Zeitung stand. Über dem Artikel war ein Gemälde gedruckt, dass brennende Wälder zeigte. Der Hmmel auf dem Gemälde glühte orange rot und war durchsetzt von dem Qualm der brennenden Wälder. Zwischen den orange glühenden Wolken un dem schwarzen Qualm strahlten weiß die herabstürzenden Meteoriten, die die Erde in Schutt und Asche legten – ein farblich schönes Gemälde.
Meine Nachbarn kamen also etwas verunsichert mit dem Zeitungsartikel zu mir und fragten mich, ob von dem Kometeneinschlag eine Gefahr für die Erde ausgeht. Ich konnte meine Nachbarn beruhigen und machte ihnen die Entfernung zum Jupiter am Beispiel der Größe meiner Hand und der Entfernung zum nächsten Dorf deutlich.
Wo bekommt der Einzelne Bürger also die Fachinformationen her, die er für die politische Meinungsbildung braucht? Ganz einfach – bei den Hackern von Nebenan, die auch ohne Bezahlung das tun, was sie wollen. Hier sehe ich die gesellschaftliche Verantwortung von Hackern und allen Open Source engagierten.