Über die Angst
14.02.2009 von michey
Angst als Schutz
Angst ist ein Bestandteil unseres Lebens, genau so wie alle anderen Gefühle. Angst soll uns im Normalfall beschützen. Sie soll uns davon abhalten, Dinge zu tun, die uns gefährden. Wenn ich zum Beispiel auf einem Windrad stehe und nicht am Sicherheitsgurt hängen würde, würde ich mich nicht wohl fühlen. Das ist ja auch sinnvoll, denn eine unerwartete Windböe und meine Unaufmerksamkeit reichen aus und ich stehe nicht mehr auf dem Windrad sondern liege neben dem Windrad auf dem Boden verteilt. Aber wann ist Angst nicht mehr eine sinnvolle Sache? Wann behindert sie uns im Handeln? Wann wird sie vielleicht gefährlich für uns selbst und für andere?
Angst ist Macht
Angst kann dazu zum Beispiel benutzt werden, dass Menschen Dinge tun um sich vor einer vermeintlichen Gefahr zu schützen oder dazu, manche Handlungen einfach zu unterlassen. Allein schon das Erlebnis, beim Beantragen des Personalausweises seine Fingerabdrücke abgeben zu müssen hat einen interessanten psychologischen Effekt. Jeder Bürger wird sich dessen bewusst, dass er nun unter Beobachtung steht und dass jedes unerwünschte Verhalten in Zukunft registriert werden könnte. Am besten spricht man nicht darüber, vielleicht macht man sich ja sonst verdächtig? Am besten man verhält sich unauffällig und macht seine Arbeit…
Wenn die Leute eines Tages vielleicht zur Identifizierung einen Chip eingepflanzt bekommen, wie es heute bei Hunden und Katzen schon üblich ist, wird der psychologische Effekt der Angst mit Sicherheit ausgeprägter sein als bei der Abgabe des Fingerabdrucks. Was ist, wenn ich mich weigere, einen Chip zu bekommen? Werden mich dann mehrere Polizisten festhalten und mir den Chip mit Gewalt injizieren? Wie missbraucht und schmutzig werde ich mich danach fühlen? Doch Vorsicht! Hier machen sich die Gedanken gerade selbständig. Ich höre auf, rational zu denken und erkenne nicht mehr die wesentlichen Dinge.
„Man braucht nichts im Leben zu fürchten, man muss nur alles verstehen.“
Marie Curie [1867-1937]
Dinge, die wir nicht kennen und von denen wir nicht wissen, ob sie bedrohlich sind, machen uns Angst, oder zumindest haben wir Respekt vor ihnen. Das ist auch erst einmal gut so. Probelmatisch ist nur, wenn wir die Dinge, die wir nicht kennen, verdrängen und uns mit ihnen nicht beschäftigen. Diese Dinge geraten irgendwann ins Abseits und werden zum unnahbaren Mythos. Ein schönes Beispiel dafür ist die Kernenergie. Wer von Euch weiß genau, was Radioaktivität ist oder wie ein Kernkraftwerk funktioniert? Wie wird Uran abgebaut? Wie wird Atommüll entsorgt? Es gibt im Fernsehen so viele endlose Diskussionsrunden darüber. In diesen Diskussionsrunden sind die einen „Experten“ für die Kernkraft, die anderen dagegen. Beide Seiten labern vor sich hin und keiner hört dem anderen zu.
Wenn ich solche Diskussionsrunden im Fernsehen sehe, schalte ich um, denn die Diskussionen langweilen mich. Ich weiß nämlich, wie ein Kernkraftwerk prinzipiell funktioniert und wie Uran abgebaut wird. Ich kenne die Symptome der Strahlenkrankheit. Ich weiß auch, wie Atommüll „entsorgt“ wird. Als Ingenieur weiß ich, dass die Behälter mit dem Atommüll irgendwann wegen dem Neutronenbeschuss aus dem Atommüll und der Korrosion mit der Zeit verspröden und zerfallen werden. Für mich ist die Kernenergie kein Mythos und sie macht mir auch keine Angst. Ich weiß, dass die Kernenergie nicht das Problem ist sondern lediglich ein Symptom unserer Energieverschwendung und ich weiß so gleichzeitig, was ich gegen die Kernenergie tun muss.
Ich bin in der Lage, unangenehme Fragen zu stellen und neue Wege und Lösungen aufzuzeigen und bin auch gerne bereit, mein Wissen mit anderen zu teilen. Ich unterhalte mich wiederum gerne mit Fachleuten aus allen Bereichen, um von ihnen mehr über die Dinge zu lernen, die ich nicht verstehe.
Was spricht dagegen, wenn die Öffentlichkeit auf verständliche Weise erfährt, wie ein RFID Chip funktioniert und wie man ihn deaktiviert? Was spricht dagegen, dass die Öffentlichkeit erfährt, wozu Gentechnik wirklich gut ist und wer genau wie damit Gewinne macht? Warum machen die Überwachungszentralen in den Städten nicht öfter im Jahr einen „Tag der offenen Tür“ und die Mitarbeiter zeigen der Öffentlichkeit einmal persönlich, was sie den ganzen Tag so machen? Vielleicht treffe ich in der Überwachungszentrale meinen Nachbarn, der gerade am Überwachungsbildschirm arbeitet? Dadurch würde die Angst auf allen Seiten abgebaut, auf Seiten der Öffentlichkeit genau so wie auf Seiten der Behörden.
Fazit
Erst wenn die breite Öffentlichkeit unbekannte Dinge verstehen kann, kann sie Fragen stellen. Transparenz und viele Fragen sind die stärksten Grundpfeiler der Demokratie. Darum ist es meiner Ansicht nach wichtiger denn je, dass Wissenschaftler und Fachleute aller Art die Öffentlichkeit in einer allgemein verständlichen Sprache Ehrenamtlich als Privatpersonen über die Dinge Aufklären, die wichtig sind. Doch wie soll das geschehen? Wann komme ich als kleiner Ingenieur schon ins Fernsehen?
Nicht die Aufklärung über die Massenmedien ist wichtig, sondern die Aufklärung des eigenen Umfeldes. Fachleute, die man persönlich kennt und die in der Nähe wohnen, sind glaubwürdiger als irgend ein Typ im Fernsehen.
Wenn die Öffentlichkeit begreifen kann, und ich meine wirklich Begreifen, Anfassen, mit eigenen Augen sehen, dann wird sie Fragen stellen, viele Fragen und unangenehme Fragen – und sie wird sich nicht mehr fürchten. Darum kann ich nur allen sagen:
Seid so neugierig wie ihr nur könnt, und steckt Eure Nase überall hinein. Wenn Ihr das mit Beharrlichkeit und etwas Charme macht, dann werdet Ihr euch wundern, was ihr alles erfahren werdet …