Die Vernetzung des Unbekannten
31.01.2009 von michey
Netzwerke müssen nicht geschaffen werden, sie sind immer vorhanden
Ich hatte vor einiger Zeit ein Gespräch mit einem Handwerker, der seit vielen Jahren selbst gebaute Solaranlagen und Windräder in seinem Garten aufstellt. Nachdem mir der Handwerker vieles über seine Ideen erzählt hatte, fing er an, sich über das Unverständnis in seinem Umfeld zu beklagen. Danach schloss er mit der Aussage ab, das man ja alleine sowieso nichts gegen die großen Stromkonzerne machen könne.
Ich höre von sehr vielen kreativen Menschen die Aussage : „Man kann alleine sowieso nichts machen.“ Viele dieser Menschen denken, sie sind allein mit ihren Ideen und kämpfen gegen den Rest der Welt. Diese Einstellung endet meist in Verbitterung, die mit zunehmendem Alter immer schlimmer wird. Besonders bei Vereinen und Initiativen, die über Jahre die Einstellung haben, allein gegen den Rest der Welt anzugehen, läßt sich beobachten, dass sich die Gesprächsthemen zunehmend im Kreis drehen. Darum möchte ich die Frage beleuchten, warum so viele kreative Menschen glauben, allein zu sein, obwohl sie während ihres ganzen Lebens in Skalenfreie Netzwerke eingebunden sind. Ich habe diese Verbindung zwischen den Menschen in meinem Artikel „Über das Eigenleben von Ideen“ dargestellt. Warum also glauben kreative Menschen aber auch oft ganze Vereine und Initiativen, allein gegen den Rest der Welt zu kämpfen?
Wenn man ein Skalenfreies Netzwerk auf dem Papier gezeichnet ansieht, dann ist es ganz klar zu sehen, dass alle Mitglieder des Netzwerks bereits über wenige Informationsübermittler miteinander Verbunden sind. Um sieben Ecken die ganze Welt zu kennen ist aber eine sehr abstrakte Vorstellung, wenn man ein Netzwerk aus der Froschperspektive betrachtet, also selbst in dem Netzwerk drinsteckt. Erschwerend kommt hinzu, dass das real existierende Netzwerk der Menschheit unbekannt ist. Ich weiß zwar, welche Kontakte ich habe, ich weiß aber kaum welche Kontakte meine engsten Freunde haben. Aus der Froschperspektive ist so ein Skalenfreies Netzwerk also sehr abstrakt und undurchschaubar. Kann man da den Frust vieler kreativer Menschen verstehen? Haben diese Menschen vielleicht sogar recht, das man alleine gar nichts machen könne? Wie lassen sich unbekannte Netzwerke, Initiativen und einzelne kreative Menschen miteinander vernetzen von denen man nicht weiß ob sie überhaupt existieren?
Die Vernetzung unbekannter Netzwerke – Die Einladung zum „Kaffekränzchen“.
Als ich nach Dresden gezogen bin, habe ich eine Möglichkeit der Vernetzung unbekannter Netzwerke kennengelernt, die mich sehr fasziniert und die meiner Ansicht nach Vorbildcharakter hat. Jeden zweiten Montag wird in Dresden in ehrenamtlicher Arbeit ein sogenannter „Montagstreff“ veranstaltet. Bei dem Montagstreff handelt es sich um einen regelmäßig stattfindenden Vortragsabend zu einem bestimmten Thema mit anschließender Diskussion. Dazu werden Fachleute also Referenten eingeladen, die kostenfrei einen Vortrag zu einem Thema aus ihrem Fachbereich halten. Die Referenten stehen dann in einer anschließenden Diskussion dem Publikum Rede und Antwort. Ein solcher Montagstreff ist als gemütliches Beisammensein gedacht. Manche Teilnehmer bringen etwas zu knabbern mit. Die Stühle sind sehr gemütlich, da der Montagstreff in einer Bibliothek stattfindet, in der gemütliche Sessel stehen. Der Themenabend wird durch den Veranstalter moderiert, der zum einen das Wort an den Referenten übergibt, aber auch in der Diskussion verhindert, das bei heiklen Themen Streitigkeiten zwischen Teilnehmern ausbrechen. Das Thema wird so speziell gewählt sein, dass die Teilnehmerzahl nicht zu groß wird. Dadurch wird verhindert, dass die Diskussion langatmig wird und die gemütliche Atmosphäre verschwindet. Wer kommt schon gerne nach Feierabend müde zu einem Vortrag mit Arbeitsatmosphäre, der dann die restliche Kraft des Tages auch noch abverlangt? Der Montagstreff muss Entspannung bedeuten und auch etwas Unterhaltung und er sollte auch etwas Wissen vermitteln.
Der Montagstreff ist nicht an irgendeinen Verein gebunden oder wird offiziell von irgendeinem Träger unterstützt. Der Eintritt ist frei, also nicht auf eine Mitgliedschaft in einem bestimmten Kreis beschränkt, was für die Vernetzung unbekannter Netzwerke wichtig ist.
Ich möchte hier noch einmal fünf wesentliche Eigenschaften zusammenfassen, die für die Netzwerkbildung durch einen Vortragsabend eine notwendige Bedingung sind:
- Der Vortragsabend hat ein angekündigtes Thema
- Der Vortragsabend ist nicht Vereinsgebunden
- Der Veranstalter moderiert den Vortrag
- Der Eintritt ist für jeden frei
- Der Vortragsabend ist ein gemütliches Beisammensein
- Die Runde sollte nicht mehr als 30 Personen enthalten
Vernetzung durch den Montagstreff an einem Beispiel
Wir betrachten zwei unbekannte Netzwerke, die ich hier mal frei erfinden möchte:
- Die Initiative gegen genetisch veränderte Kulturpflanzen „AntiGENE e.V.“
- Die Vereinigung gegen die Patentierung von Lebewesen „APAT e.V.“
Beide Vereine haben im Alltag nicht miteinander zu tun, wissen nichts voneinander und sie wissen auch nicht, dass sie in ihrer Arbeit eine gemeinsame Schnittmenge haben, nämlich die Lizenzgebühren auf genetisch veränderte Pflanzen. Jetzt stellen wir uns vor, dass der Montagstreff ein Vortragsabend zum Thema „Patente – Lizenzen – Monopole“ veranstaltet.
Heike ist Bäuerin auf einem Biobauernhof und ist Mitglied im AntiGENE.e.V. Zur Zeit läuft gerade ein Gerichtsverfahren gegen Heike. Ihr Maisfeld wurde durch Pollenflug mit Genmais-Pollen aus dem Nachbarfeld bestäubt und nun soll Heike LIzenzgebühren an den Hersteller des Genmais bezahlen, weil Heike ja nun die Vorzüge des genetisch veränderten Mais widerrechtlich nutzt. Aus diesem Grund interessiert sich Heike für den Vortrag beim Montagstreff.
Im Verein APAT e.V. ist der Ingenieur für Biotechnologie Klaus Mitglied und da er sich als Ingenieur für Patentwesen interessiert, möchte er auch zum Montagstreff kommen.
In der Diskussionsrunde lernen sich Heike und Klaus kennen und unterhalten sich unter anderem über ihr Leben aber auch über die Vereine, in denen sie tätig sind. Der Kontakt zwischen beiden Vereinen ist ab diesem Abend hergestellt.
In den nächsten Monaten entwickelt sich durch Heike und Klaus eine Zusammenarbeit zwischen beiden Vereinen und es entstehen durch Heike und Klaus neue Kontakte.
Fazit
Es gibt da einen schönen Spruch der heißt „Gleich und gleich gesellt sich gern.“ Diese menschliche Eigenschaft wird bei den Vortragsabenden, so wie ich sie hier geschildert habe, wirksam. Hier besteht meiner Ansicht nach für die Zukunft eine Möglichkeit, das bereits vorhandene Netzwerk der kreativen Menschen durch zusätzliche Verbindungen zu erweitern. Vielleicht werden sich dadurch mehr kreative Menschen bewußt, dass sie nicht allein sind.
Schöner Artikel!
In diesem Zusammenhang finde ich ein Konzept namens „Mikroart“ ganz spannend. Dieser kommt aus dem Wissensmanagement und steht als Abkürzung für Mikro- Artikel. Gemeint sind kleine Artikel über spezielle Themen, die man in einer halben Stunde kurz aufschreiben kann ohne komplizierte Zitierhinweise oder ähnliches zu gebrauchen.
Vorteile:
– Man kann sein Wissen zu sehr spezifischen Themen weitergeben, als Nebeneffekt auch für sich strukturieren.
– Die Anforderung ist nicht zu groß, so dass man eher motiviert ist, diese Artikel auch tatsächlich zu schreiben.
– Man kann hierüber Menschen finden, die sich für dieses Thema auch interessieren (vgl. oben!).
– Es ist einfach nett, wenn man über längere Zeiträume solche Artikel verfasst, vielleicht wird einem so bewusst, mit welcher Fülle an Themen man sich auseinandersetzt, an welchen „Wissenskathedralen“ man selbst mitbaut.